Erlebnisberichte von Teilnehmern

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Anita, war in Ohio, USA

In der High School

Seit knapp zwei Wochen ist die Highschool in Ohio nun meine Schule. Teilweise scheint es mir so unglaublich, dass ich wirklich Teil dieser Schulgemeinschaft bin. Denn alles ist so, wie ich es mir vorgestellt habe, es ist fast schon unheimlich! Andererseits habe ich mich so an den Schulrhythmus hier gewöhnt, dass ich oft vergesse, nicht schon immer hier gewesen zu sein.
Der erste Schultag war ein besonderes Erlebnis. Alle Schüler versammelten sich in der Turnhalle, ich hatte keine Ahnung, wohin alle gingen, kannte mich überhaupt nicht aus und musste drei Leute um den Weg nach zwei Türen weiter fragen. Als ich schließlich ziemlich verloren und verwirrt zwischen wildfremden Jungs saß, wurde ich mit schrägen Blicken gemustert, weil es ungewöhnlich ist, in einer so kleinen Schule jemanden nicht zu kennen.  Einige kamen hereingestürmt und schmissen Bleistifte und Süßigkeiten in die Menge. Darauf folgte eine Ansprache vom Direktor, und alle gingen in ihre selbstgewählten Kurse, worauf wieder ein Wohin-muss-ich-gehen-Problem folgte.

Ich liebe meinen Stundenplan, denn er ist auf mich persönlich zugeschnitten, ganz anders als das Einheits-Kurs-System in Deutschland. Journalism ist mein erster Kurs, danach folgt Current Events. Hier wird darüber gesprochen, was aktuell in der Welt passiert und in den Medien berichtet wird. Wir lesen im Unterricht Zeitung. Pre Calculus, eine der unsympathischsten Formen der Mathematik schlechthin bestimmt meinen Tag leider auch, doch das war das einzige Mathe-Fach, das in meinem Stundenplan noch Platz fand. Spanisch und American History sind meine letzten beiden Fächer. Es ist gewöhnungsbedürftig, auf Englisch Spanisch zu lernen und ich frage mich, ob ich wohl Spanisch mit amerikanischem Akzent spreche. Mein Vorteil als Deutsche ist, dass ich als einzige das „r“ rollen kann, und zur Abwechslung die gleiche Chance habe, Wörter richtig auszusprechen. Denn im Englischen und somit überall haben die Amerikaner logischerweise einen leichten Vorteil.
American History ist ganz anders, als der Geschichtsunterricht in Deutschland. Es werden nicht nur Fakten und Jahreszahlen und Berühmtheiten behandelt, sondern die Gedanken, die dahinterstecken, was die wichtigen Tugenden der Menschen sind, was Freiheit bedeutet. Der Unterricht ist viel freier und regt zum Nachdenken an, zum ersten Mal in meinem Leben freue ich mich auf die Geschichtsstunden und verstehe die Vergangenheit, einfach, weil ich mitdenken darf und muss und nicht stur auswendig lerne.

Überhaupt fühlt sich der ganze Schultag viel freier an. Ich bin jede Stunde in einer anderen Klasse, in einem anderen Raum, den der Lehrer persönlich gestaltet hat, mal kitschig und überfüllt, mal schlicht und steril, aber immer anders. Auch die Schüler sind immer andere, man lernt durch den Klassenwechsel viel mehr Menschen kennen. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist nicht mit dem deutschen vergleichbar. Alle scheinen ein fast freundschaftliches Verhältnis zueinander zu haben, eine Lehrerin fragte mich beispielsweise, wo ich mein Shirt gekauft hätte, zeigte mir Fotos von ihr und ihrem Mann. Ein anderer begann das Schuljahr mit einer Powerpoint-Präsentation über sein Leben und seine Familie. Wenn man sich auf dem Gang trifft, hört man nicht selten ein „Hey! How’s it going?“ von einem seiner Lehrer.

Meine Schule hat wie wohl jede Highschool in den USA Spinds, und ich liebe meinen Spind! Er war eines der Dinge, auf die ich mich am meisten gefreut habe. Das merkwürdige ist: Ich scheine die einzige zu sein, die ihn benutzt. Jeden Tag packe ich voller Elan meine Bücher aus der Tasche und in den Spind, renne bei jedem Stundenwechsel zu ihm, um das richtige herauszufischen und nicht alles mit mir herumtragen zu müssen. Nur vereinzelt habe ich Schüler gesehen, die dasselbe tun. Dafür trägt fast jeder zwei Rucksäcke oder Taschen oder einen Rucksack und eine Handtasche oder eine Tasche und eine Lunch-Tasche mit sich herum. Warum mag niemand die Spinds? Sie sind sehr alt und klemmen, mein Mathelehrer musste einmal mit seinem Fuß dagegentreten, während ich an der Tür zerrte um meine Schulsachen zu befreien. Aber deshalb sind sie doch noch lange nicht unbrauchbar!

Das Schuljahr hat gerade erst angefangen. Und doch fühle ich mich schon zugehörig, verantwortlich, eingelebt, wie alle anderen Schüler. Wie werde ich mich erst in einem halben Jahr fühlen, wenn ich mein neues Leben, meine neue Heimat wieder verlassen muss?

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